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Die kooperative Regionalleitstelle Nord – Notruf 110 und 112

LS_Nord_201400008April 2014 – Harrislee: Mit Inbetriebnahme der Leitstelle Nord im Schleswig-Holsteinischen Harrislee bei Flensburg am 4. September 2009 wurde auch in Schleswig-Holstein ein neues Zeitalter der Leitstellen eingeläutet. Die erste kooperative Regionalleitstelle in Deutschland nahm ihren Betrieb auf. Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst unter einem Dach, Schleswig-Holstein betrat damals Neuland. Für rund 8,5 Millionen Euro wurde vor nun fast fünf Jahren auf dem Gelände der Landesfeuerwehrschule in Harrislee ein Leitstellenneubau errichtet. Zuständig für die Kreise Schleswig-Flensburg, Nordfriesland und die Stadt Flensburg wurden nun Kompetenz und Kräfte aus drei Polizeileitstellen und drei kommunalen Rettungsleitstellen in einem Haus gebündelt.

Seither verrichten die Disponenten und Einsatzsachbearbeiter in zwei nahezu identischen Leitstellenräumen ihren Dienst, die lediglich durch eine Glasfront voneinander getrennt sind. Dennoch sind diese kurzen Wege und die Möglichkeit der Kommunikation zwischen Polizei und Kommune von Angesicht zu Angesicht ein Meilenstein im Leitstellendienst gewesen. Das Kooperative stand von 2009 an im Vordergrund und bewährt sich immer wieder aufs Neue.

LS_Nord_201400007Begleitet von kleineren Fehlern in den Alarmierungsketten, in der Kommunikation und der Erreichbarkeit bis hin zu Totalausfällen aller Systeme entwickelte sich die Leitstelle bis heute zu einem hochtechnischen Betrieb, der im nördlichsten Bundesland für Sicherheit sorgt. Sacha Münster, der stellvertretende Leiter des kommunalen Teils der Leitstelle erinnert sich noch gut an die schwierige Anfangsphase: „Wir hatten 2009 erhebliche Schwierigkeiten, sowohl organisatorisch, wie auch systemseitig“, berichtet Münster, „zusammen mit den Technikern haben alle Beteiligten ihre Hausaufgaben gemacht und seit 2010 haben wir keinen Komplettausfall mehr verzeichnet. Der kurzfristige Ausfall von Einzelfunktionen bleibt bei der Komplexität der Systeme jedoch nicht aus, aber dafür sind wir mit entsprechenden Redundanzkonzepten sehr gut aufgestellt“, so Münster weiter.

LS_Nord_201400009Die Anzahl der kooperativen Regionalleitstellen in Schleswig-Holstein und auch in Deutschland ist seit 2009 angestiegen. Vielerorts hat man die Vorteile einer gemeinsamen Leitstelle unter einem Dach erkannt und umgesetzt. Doch auch in Harrislee bei Flensburg gab und gibt es immer wieder Neuigkeiten und Änderungen an Technik und Strukturen. Mit die größte Veränderung ist die Umstellung vom analogen zum digitalen Funk. Ist die Umstellung auf Seiten der Polizei in Harrislee bereits im Jahr 2013 erfolgt, steht der Umstieg auf die digitale Funktechnik bei Feuerwehr und Rettungsdienst bevor. In den Medien wird immer wieder von Problemen mit dem digitalen Funknetz berichtet, in der Harrisleer Leitstelle hingegen sieht man es von polizeilicher Seite durchweg positiv. „Wir haben keine Probleme mit dem Digitalfunkt, im Gegenteil, er läuft wesentlich besser als der Analogfunk“, berichtet Reinhard Becker, der Leiter des polizeilichen Teils der Leitstelle. „Natürlich gibt es, wie aber auch schon beim analogen Funk, Bereiche, wo die Netzabdeckung verloren geht, eine 100%ige Versorgung ist aber, wie auch im Mobilfunknetz, nur schwer zu realisieren“, so Becker weiter. Problematisch wird es derzeit noch innerhalb großer Gebäudekomplexe. Einkaufszentren oder Sportarenen verfügen meist über keine oder über eine zu geringe Netzabdeckung. Einsatzkräfte im Inneren derartiger Gebäude sind bisher vom Funkverkehr abgeschnitten. Abhilfe sollen Verstärker schaffen, die innerhalb der Gebäude installiert werden. Hier ist allerdings noch unklar, wer die Kosten dafür trägt.

Das persönliche Gespräch rückt in den Vordergrund

LS_Nord_201400010Kooperative Regionalleitstelle, zwei Worte in denen viel Inhalt steckt. Besonders viel Wert legen die Mitarbeiter der Harrisleer Leitstelle auf das Kooperative. Bis 2009 waren die Polizeileitstellen und die Rettungsleitstellen strikt voneinander getrennt, meist lagen auch etliche Kilometer zwischen ihnen. Eine Kommunikation war, wenn überhaupt, nur über das Telefon möglich.

Heute, im Jahr 2014, hat man ganz andere Kommunikationsmöglichkeiten. In Teilen mag man sagen, ist man sogar einen gewaltigen Schritt (positiv gesehen) in der Kommunikationstechnik zurückgegangen, nämlich den zurück zum direkten Gespräch von Angesicht zu Angesicht. Einen Disponenten der Feuerwehr trennen nun nur  noch wenige Meter von einem Einsatzsachbearbeiter der Polizei. Neben der Möglichkeit Einsätze zu integrieren, also die Polizeileitstelle oder andersherum die Rettungsleitstelle in den eigenen Einsatz im Einsatzleitsystem einzubinden, so dass die Gegenseite die einsatzrelevanten Informationen ebenfalls lesen und verarbeiten kann, gibt es nun auch die Möglichkeit einfach aufzustehen und miteinander zu reden. Diese Möglichkeit wird von den Kollegen in beiden Bereichen der Leitstelle gerne und häufig genutzt und auf beiden Seiten wird auf die Frage nach den Besonderheiten in der Leitstellenarbeit immer wieder dieser Aspekt hervorgehoben.

LS_Nord_201400005Ein Paradebeispiel für eine reibungslose und vor allem schnelle Kooperation gab es vor wenigen Wochen. Die Rettungsleitstelle Nord in Harrislee erreichte ein Notruf. Aufgeregt berichtete der Anrufer, dass die Fruchtblase seiner schwangeren Frau geplatzt sei und die Wehen eingesetzt hätten. Nun ging es um Minuten, Rettungswagen und Notarzt wurden alarmiert und an den Einsatzort geschickt, ein Transport ins Krankenhaus wurde kurz darauf ausgeschlossen, das Kind musste in der Wohnung der Schwangeren zur Welt gebracht werden. Problematisch wurde nun der Transport der Hebamme aus einem Flensburger Krankenhaus an den Einsatzort. Der zuständige Rettungsdienst hatte kein freies Rettungsmittel um die Hebamme schnell mit Sonderrechten abzuholen. Zwei Sekunden später stand der Disponent im Nachbarraum am Leitstellenplatz eines Einsatzsachbearbeiters der Polizei, erklärte schnell den Sachverhalt und bat um Hilfe. Ohne Zeit zu verlieren wurde ein Streifenwagen der Polizei kurzerhand zum Notfalltaxi der Hebamme. Fünf Minuten später hatte die Besatzung des Streifenwagens die Geburtsthelferin am Einsatzort abgesetzt.

LS_Nord_201400003„Wir arbeiten hier in drei Schichten, Früh-, Spät- und Nachtschicht, sowie mit Zwischenschichten“, erklärt der Sacha Münster. Rund 80.000 Einsätze für Feuerwehr und Rettungsdienst werden aus der Leitstelle Nord jedes Jahr disponiert. „Wir können täglich bis zu 50 Rettungswagen, 13 arztbesetzte Rettungsmittel, 276 freiwillige Feuerwehren und eine Berufsfeuerwehr einsetzen und disponieren“. Um diese große Zahl an Einsätzen und somit auch Notrufen bewältigen zu können, arbeiten tagsüber mindestens drei Disponenten und ein Schichtführer im Leitstellenraum. Nachts sind es mindestens zwei Disponenten plus Schichtführer. Zu Spitzenzeiten unterstützen Disponenten in Zwischenschichten die Kollegen. Innerhalb von 12 Minuten muss in Schleswig-Holstein medizinische Hilfe vor Ort sein, mit dem Eingang des Notrufes in der Leitstelle beginnt die Hilfsfrist und die Uhr beginnt zu ticken.

„Notruf 112 – Wo genau ist der Notfallort?! 

LS_Nord_201400001Ebenfalls noch relativ neu ist die Thematik rund um die sogenannte „standardisierte Notrufabfrage“. Haben wir alle schon von Kindesbeinen beigebracht bekommen, dass wir uns bei einem Notruf auf die „W-Fragen“ (Wer, Wo, Was, Wie viele) konzentrieren sollen, so weicht die neue Notrufabfrage doch nicht unerheblich davon ab. Schon mit dem ersten Satz „Notruf 112 – Wo genau ist der Notfallort?“ übernimmt der Disponent die Gesprächsführung. Mit diesem Verfahren soll sichergestellt werden, dass zunächst einmal beim Disponenten nur die wirklich wichtigen und relevanten Informationen in einer vorgesehenen Reihenfolge ankommen. Wichtigste Information und somit Priorität hat die Frage nach dem Notfall- / Einsatzort. Denn sollte das Gespräch in der Folge abreißen, so lassen sich erste Rettungsmittel bereits disponieren. Auf einem Zusatzmonitor (Touchpannel) lesen die Disponenten die Fragen der standardisierten Notrufabfrage ab. So wird sichergestellt, dass jeder Disponent bei der Annahme der Notrufe gleichermaßen verfährt. Einer der Disponenten im kommunalen Teil der Leitstelle ist Jan Friedrichsen. Seit zwei Jahren ist Friedrichsen als fester Disponent in der Leitstelle tätig, zuvor war er als Rettungsassistent bei der Berufsfeuerwehr Flensburg tätig und ist nach Fortbildungen in den Leitstellendienst gewechselt. „Der planerische und organisatorische Aspekt an der Arbeit in der Leitstelle hat mich gereizt und hat mich zu dem beruflichen „Seitenwechsel“ bewogen“, erzählt er. Friedrichsen berichtet auch von den Schwierigkeiten bei den Notrufen, mit denen die Disponenten tagtäglich konfrontiert werden. Trotz der standardisierten Notrufabfrage und der Aufnahme des  Gespräches mit einer konkreten Fragestellung hat man es nicht selten am anderen Ende der Leitung mit Personen schwierigen Situationen zu tun: „Die Anrufer befinden sich nicht selten in psychischen Ausnahmesituationen, man sollte dennoch in all der Aufregung versuchen die Fragen des Disponenten so ruhig es geht zu beantworten. Aufgeregte Anrufer unterbreche ich auch mal so lange bis ich die Infos erhalte, die ich benötige um schnelle Hilfe zu gewährleisten“, so Friedrichsen. „Das Anrufer während des Notrufes einfach auflegen, oder die Verbindung abreißt, kommt auch immer mal wieder vor“.

Telefonreanimation kann Leben retten

LS_Nord_201400002Im Normalfall dauert ein Notruf unter der 112 keine Minute, innerhalb von Sekunden erfährt der Disponent im günstigsten Fall die Informationen, die er benötigt um die erforderlichen Rettungsmittel zu disponieren. Im Rahmen der standardisierten Notrufabfrage trifft der Disponent dann auch auf lebensbedrohliche Zustände, bei denen er den Anrufer in der Ersten Hilfe unterstützt. Diese Erste Hilfe geht von einer Betreuung bis hin zur Reanimation. Stellt sich bei einem Notruf heraus, dass der Anrufer einen Patienten vor sich hat, bei dem Puls und Atmung ausgesetzt haben, zählt jede Sekunde. Bis zum Eintreffen professioneller Hilfe bleibt der Disponent am Telefon und gibt exakte Anweisungen, was zu tun ist. Auf dem Touchmonitor, auf dem auch die Fragen der standardisierten Notrufabfrage abgelesen werden, liest der Disponent in diesen Fällen immer auch die Anleitung zur Reanimation vor. Auf diese Weise können selbst absolute Laien und sogar Kinder im Ernstfall Leben retten und einen Patienten erfolgreich reanimieren. Zusätzlich wird dem Anrufer mit dieser Methode auch die Angst genommen, etwas Falsches zu tun oder nicht genügend Kenntnisse in erster Hilfe zu haben. Immer mehr Rettungsleitstellen in Deutschland führen im Ernstfall Telefonreanimationen durch, etliche Leben konnten auf diese Weise bisher gerettet werden, denn gerade die ersten Sekunden und Minuten nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand können die entscheidenden sein.

LS_Nord_201400004Eine weitere Neuheit seit Inbetriebnahme der Leitstelle ist die Arbeit und Disposition mit Echtkoordinaten, die via GPS an das Einsatzleitsystem übertragen und hier ausgewertet werden. Mit diesem System kann der Disponent auf dem Monitor in der Leitstelle sehen, wo genau sich die Rettungswagen in seinem Einzugsbereich gerade befinden und so kann er im Notfall immer das am nächsten gelegene, freie Einsatzmittel disponieren. Zusätzlich kann den Rettungswagen und Notarzteinsatzfahrzeugen der Einsatzort direkt auf das integrierte Navigationssystem übermittelt werden. Die GPS-Überwachung der Fahrzeuge soll aber keinesfalls als „Überwachungsinstrument“ verstanden werden, sie dient einzig und allein der best- und schnellstmöglichen Disponierung von Rettungsmitteln. Derzeit sind noch nicht alle Fahrzeuge in den Kreisen Nordfriesland, Schleswig-Flensburg und der Stadt Flensburg mit diesem System ausgestattet, in naher Zukunft soll die Umrüstung aber abgeschlossen sein.

Der direkte Draht ins Nachbarland 

LS_Nord_201400006Eine Besonderheit, die sich in der Arbeit der Leitstelle Nord wiederspiegelt, ist die grenznähe zu Dänemark“, so Sacha Münster. „Im Zuge der grenzübergreifenden Zusammenarbeit haben wir in der Leitstelle nun einen Leitstellenplatz mit einer digitalen Funkverbindung nach Dänemark ausgerüstet“. Bereits seit vielen Jahren fahren beispielsweise die Rettungswagen der Stadt Flensburg, sowie der Flensburger Notarzt, bei Bedarf zu Notfalleinsätzen ins dänische Nachbarland. In der dänischen Grenzregion gibt es wenige Rettungsmittel, so dass bei Bedarf im Nachbarland Deutschland medizinische Hilfe angefordert wird. Eine ähnliche Kooperation gibt es zwischen einigen Feuerwehren in den Kreisen Schleswig-Flensburg und Nordfriesland. Im Falle eines Feuers fahren Wehren an der Grenze von Deutschland nach Dänemark und umgekehrt. In vielen Fällen hat sich diese Kooperation bewährt und soll weiter ausgebaut werden. Mit den neuen modernen Kommunikationsmitteln sind grenzübergreifende Einsätze nun noch einmal deutliche schneller und unkomplizierter zu bewerkstelligen.

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