Reportage: Unterwegs mit der Motorradstaffel der Johanniter
05. Juli 2016 – Schleswig: Sie sind klein, schnell und wendig, die Einsatzfahrzeuge der Johanniter Motorradstaffel in Schleswig. Medizinische Hilfe erhält man in Deutschland im Ernstfall schnell, binnen Minuten sollen Rettungswagen vor Ort sein. Doch was ist, wenn die großen, schweren Fahrzeuge, vollgestopft mit medizinischem Equipment nicht durchkommen oder die örtlichen Gegebenheiten es nicht zulassen? Gerade bei Sport- und Großveranstaltungen oder auf Autobahnen kommen sie ins Spiel, die Männer und Frauen der Motorradstaffel. Die Johanniter in Schleswig halten seit 2002 Einsatzmotorräder vor. Staffelleiter Norbert Buhr erinnert sich noch gut an die Anfänge der zweirädrigen Rettungsmittel im Kreis Schleswig-Flensburg. „Die Idee kam mir im Jahr 2001, bundesweit gab es bei den Johannitern bereits mehrere Motorradstaffeln“, so Buhr, „der AvD (Automobilclub von Deutschland) beteiligte sich damals deutschlandweit an der Finanzierung solcher Staffeln um unter anderem auf den Autobahnen in Sachen Stauberatung aktiv zu sein.“
Bereits ein Jahr später stand in Schleswig die erste Maschine auf dem Hof der Johanniter. „Wir haben aus AvD Beständen eine alte K100 übernommen und leisteten mit dieser Maschine fortan unseren Dienst“, erzählt Buhr. Nachdem der AvD beschlossen hatte, sich aus der Finanzierung der Motorradstaffel zurückzuziehen, wurden die Staffeln vielerorts von den Johannitern weiterbetrieben. Auch in Schleswig wurde der Gedanke an eine Motorradstaffel kontinuierlich vorangetrieben und aus der anfänglich einen Maschine sind heute vier geworden. „Zwanzig aktive Männer und Frauen engagieren sich bei uns in der Staffel“, so Buhr, „unsere Maschinen stammen alle aus dem Hause BMW und verfügen über nahezu die identische Ausstattung.“
Notärzte, Rettungsassistenten, Rettungssanitäter und Sanitätshelfer, in der Schleswiger Motorradstaffel verrichten Männer und Frauen mit unterschiedlichen medizinischen Ausbildungen ihren Dienst. „Unsere Maschinen ersetzen selbstverständlich keinen Rettungs- oder Notarztwagen“, so Buhr , „wir sind eine First Responder Einheit, die mit den zur Verfügung stehenden Mitteln eine adäquate medizinische Erstversorgung gewährleisten kann.“ Maschinen wie die BMW R1200 RT werden als spezielle Behördenversion angeschafft. In Schleswig handelt es sich meist um Leasingrückläufer der Bundeswehr, die nach zwei Jahren zurück zu BMW kommen, dort generalüberholt werden und zu günstigen Konditionen an Hilfsorganisationen wie die Johanniter verkauft werden. Die Behördenversion dieser Motorräder unterscheidet sich von den zivilen Maschinen für den Privatgebrauch. Statt eines zweiten Sitzes ist dort die empfindliche Technik, wie beispielsweise die Funkanlage verbaut. Stauräume im Heckbereich der Maschine, so wie an den Seiten beherbergen bei den Schleswiger Maschinen umfangreiches Material und Technik für eine Erstversorgung von Patienten. „Wir haben Equipment zur Beatmung von Patienten an Bord, Intubationsbesteck, Gerätschaften zur Diagnostik von Blutdruck und Blutzucker, Sauerstoffmessung, haben Infusionen dabei, Eispacks, Schienen und Verbandsmaterial“, so Norbert Buhr, „außerdem verfügen wir über zwei AEDs (Automatisierter Externer Defibrillator), mit denen wir im Ernstfall reanimieren können.“ Optisch sind die Maschinen rettungsdienstypisch, auffällig beklebt und verfügen über eine Sondersignalanlage mit Blaulichtern und Martinshorn.
Von den Trägern des Rettungsdienstes ist die Motorradstaffel der Johanniter als First Responder Einheit anerkannt. Sind die Motorräder der Staffel unterwegs auf der Autobahn oder bei Großveranstaltungen in Bereitschaft, so kann die zuständige Leitstelle die Motorräder disponieren, mittels RescueTrack (GPS-gestütztes Ortungssystem für Einsatzfahrzeuge) sogar genau erkennen, wo die nächste Maschine steht. „Durch den Wegfall der vom AvD initiierten Stauhilfe, haben wir uns fortan überwiegend auf andere Aufgaben konzentriert“, erläutert Buhr, „wir betreuen Stadt- und Volksfeste, sind bei diversen Lauf- und Radsportveranstaltungen vertreten oder unterstützen bei Motorradgottesdiensten, Kirchentagen und auch politischen Großveranstaltungen wie dem G8 Gipfel in Heiligendamm.“ Die Motorradstaffel der Johanniter in Schleswig ist somit auch überregional aktiv. Sie unterstützen bei Einsätzen in ganz Deutschland. Im Einsatz bilden immer zwei Motorräder ein Team, dieses Team führt eventuell aufkommende Einsätze und Notfälle auch im Team durch. „Einer der beiden Motorradfahrer versorgt den Patienten, während der zweite die Einsatzstelle absichert, mit der Leitstelle kommuniziert und dem Kameraden zuarbeitet“, erklärt Buhr.
Gerade bei Radrennen oder Laufveranstaltungen sind die Motorräder ein ideales Einsatzmittel. Medizinische Hilfe kann trotz Straßensperrungen schnell beim Patienten sein. „Unsere Vorteile sind einfach die Wendigkeit und die Schnelligkeit“, berichtet Buhr, der bereits seit 40 Jahren Motorrad fährt, „auf der Autobahn bin ich schon an anrückenden Rettungswagen vorbeigefahren, die im Stau feststeckten und so konnten wir den oder die Patienten schneller versorgen.“ Auch nach dem Wegfall der Grenzkontrollen und dem damit verbundenen deutlich geringeren Stauaufkommen im Einsatzgebiet der Schleswiger Motorradstaffel, sind die Einsatzmotorräder seit einiger Zeit wieder regelmäßig auf der Autobahn unterwegs. „Wir unterstützen die Autobahnpolizei insbesondere im Ferienreiseverkehr“, erklärt Buhr, „mindestens zwei Maschinen sind dann immer auf der Autobahn unterwegs und halten die Polizei über Stauentwicklungen oder andere Ereignisse auf dem Laufenden und lassen sich durch die Rettungsleitstelle als First Responder bei Unfällen einsetzen.“
Bei Großveranstaltungen im Land, die einen aufwändigen und umfangreichen Sanitätsdienst erfordern, sind auch die Motorradstaffeln der Johanniter oft präsent. „Wir begleiten nahezu alle großen Lauf-und Radsportveranstaltungen in Schleswig-Holstein, wie den Lauf zwischen den Meeren, den OstseeMan Triathlon in Glücksburg, den Kiel-Lauf, den Kreis-Plön-Lauf oder das Radrennen um die Schlei“, so Buhr, „der Motorradgottesdienst in Hamburg und Kiel, wie auch die Kieler Woche werden ebenfalls von den Johannitern auf ihren Motorrädern begleitet.“ Dabei arbeiten die unterschiedlichen Ortsverbände Hand in Hand, gegenseitige Unterstützung bei Veranstaltungen ist bei den Johannitern selbstverständlich. „Brauchen die Kieler unsere Hilfe, so kommen wir gerne und auch andersherum unterstützen uns die Kieler beispielsweise beim OstseeMan“, so Buhr. Auch beim sogenannten „Abi-Move“ in Schleswig sind die Johanniter im Einsatz, auf Bitte der Polizei unterstützt die Motorradstaffel bei der Veranstaltung wo hunderte meist alkoholisierte Schüler durch Schleswig zu einer Diskothek ziehen.
Finanziert wird die Motorradstaffel überwiegend durch fördernde Mitglieder und durch Spenden, sowie durch Sanitätsdienste.