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Flensburger Einsatzkräfte im Katastrophengebiet – Flensburgs Feuerwehrchef Carsten Herzog leitet den mobilen Führungsstab des Landes Schleswig-Holstein

Foto: Berufsfeuerwehr Flensburg

Windhagen – „Das war nicht einfach nur ein Hochwasser, es war ein Tsunami im Binnenland“, macht es Carsten Herzog, Leiter der Flensburger Berufsfeuerwehr deutlich. Zusammen mit seinem Kollegen Lars Hammon befinden sich die beiden seit Montag im Katastrophengebiet an der Ahr. Gemeinsam mit dem Leiter der Lübecker Berufsfeuerwehr, Thomas Köstler, leitet Herzog noch bis Ende der Woche den mobilen Führungsstab der Einsatzkräfte aus Schleswig-Holstein. Rund 740 Männer und Frauen aus dem ganzen Bundesland sind aktuell im Ahrtal im Einsatz. Herzog und Köstler führen und koordinieren mit ihrem Team die vier Feuerwehrbereitschaften und die ihnen zugeordneten Einsatzkräfte von THW und den Sanitätseinheiten.

Aus Flensburg sind noch Kräfte des Malteser Hilfsdienstes mit einem KTW (Krankentransportwagen) und des Deutschen Roten Kreuzes mit einer Feldküche mit nach Rheinland-Pfalz gefahren. Das was die Flensburger Hilfskräfte rund um Bad Neuenahr-Ahrweiler erwartete, konnte sich keiner vorab vorstellen. „Diese Wucht und die Massen, die mitgeschwemmt wurden, das kennt man sonst nur von Tsunamis“, berichtet Herzog, „Baumstämme, Autos, halbe Häuser, das ist eine so große Wucht, die sich dann an Brücken und Häusern bricht und diese zum Einsturz bring.“

Über rund 45 Kilometer erstreckt sich das Schadensbild entlang der Ahr. Der ansonsten nur wenige Meter breite Fluss dehnte sich an manchen Stellen hunderte Meter aus, flutete und zerstörte teilweise ganze Ortschaften oder Ortsteile. „Es gibt hier Orte, da sind ganze Ortsteile weg, die Infrastruktur größtenteils zerstört, dutzende Brücken eingestürzt“, so Herzog, „ich persönlich habe solche Schäden in der Masse noch nicht gesehen, war auch beim Hochwasser 2013 an der Elbe, bin seit 1992 bei der Feuerwehr und kann mich an kein Ereignis in Deutschland von dieser Größenordnung erinnern.“ Wie unterschiedlich stark Orte, Ortsteile und Straßen betroffen sind, konnten Herzog und Kollegen bereits am ersten Tag mit eigenen Augen sehen. „Da, wo die Flutwelle gewütet hat, ist teilweise alles zerstört, fehlen Häuser und ganze Straßenzüge“, berichtet Herzog, „zehn Meter weiter sieht alles aus wie zuvor, keine Schäden.“ Auswirkungen hat die Katastrophe jedoch für die ganze Region. Infrastruktur, wie Straßen, Brücken, Strom-, Gas- und Wasserversorgung sind teilweise nicht mehr vorhanden und nicht so einfach wieder aufzubauen. „Mittlerweile gibt es zwar größtenteils wieder Strom, allerdings längst nicht überall, zu 80 % auch wieder Wasser, allerdings kein Gas und Abwasser“, so Herzog. Der Wiederaufbau von Gas- und Abwassernetzen könnte sich noch Monate hinziehen.

Nachdem in der vergangenen Woche bereits in Kontingent aus Schleswig-Holstein in der Krisenregion war, ist dieses Anfang der Woche abgelöst worden. Herzog und seine Kollegen führen und bringen die über 700 Einsatzkräfte seit Montag in den Einsatz und versorgen diese auch im Bereitstellungsraum im rund 35 Kilometer entfernten Windhagen. „Wir haben hier Logistikeinheiten, eine Instandsetzungseinheit vom THW, die Reparaturen an Fahrzeugen und Material durchführt und alles notwendige an Verbrauchsmaterial“, erklärt Herzog.

Von Windhagen aus geht es bei Sonnenaufgang für die Einsatzkräfte in die betroffenen Ortschaften und oftmals erst bei Sonnenuntergang zurück in den Bereitstellungsraum. „Die Motivation aller Hilfskräfte ist unglaublich hoch“, so Herzog, „nach ihrer Ankunft und den ersten Einsätzen wird dann allen Hilfskräften schnell klar, dass wir hier nicht den Kerntätigkeiten der Feuerwehr nachgehen, sondern in erster Linie humanitäre Hilfe leiste.“ Die Einsatzkräfte aus Schleswig-Holstein sind vorwiegend im Stadtgebiet von Bad Neuenahr-Ahrweiler im Einsatz und in den Nachbarorten Insul, Schuld oder Sinzig. „Für die Bevölkerung ist es wichtig, dass sie sich nicht alleine gelassen fühlen, dass die roten oder blauen Autos zusehen sind“, berichtet Herzog, „wir helfen allen, halten auch oftmals zwischendurch an. Bei den Bildern hier vor Ort und dem Ausmaß stellt niemand auch nur eine Sekunde den Sinn dieses Einsatzes in Frage.“

Neben Hilfeleistungen an Privathaushalten sind die Einsatzkräfte aus dem Norden besonders auch bei kommunalen Objekten im Einsatz und gefragt. Unter anderem sind sie aktuell am Gerätehaus der Feuerwehr Ahrweiler tätig, die es besonders hart getroffen hat. Die Einsatzstellen bekommt das Kontingent aus Schleswig-Holstein von den Abschnitten der Gesamteinsatzleitung zugewiesen oder finden sie, wenn sie darauf zufahren.

„Ein Fokus unserer Arbeit liegt auch auf dem Gesundheitsschutz unserer Einsatzkräfte und der Instandhaltung von Fahrzeugen und Equipment“, erläutert Herzog, „wir arbeiten mit ganz viel Schlamm und Staub, der sich aus allem möglichen zusammensetzt und betreiben somit eine sehr umfangreiche Dekontamination, sorgen außerdem dafür, dass die Einsatzkräfte auch benötigte Ruhephasen erhalten.“ Nicht zu vernachlässigen ist auch die psychische Belastung der Einsatzkräfte. Enthalten in dem Kontingent an Hilfskräften sind auch PSNV (Psychosoziale Notversorgung) Einheiten, der Krisenintervention, Feuerwehrseelsorge und Psychologen.

Mit dem sich aktuell in Rheinland-Pfalz befindenden Kontingent sind bereits rund 1500 Einsatzkräfte aus Schleswig-Holstein im Einsatz gewesen. „Die Größenordnungen, mit denen wir es hier zu tun haben, sind gewaltig“, beschreibt es Herzog, „alleine der Führungsstab, der die Schadenlage zu bewältigen hat umfasst rund 400 Kräfte und führt rund 6000 Einsatzkräfte.“ Aus allen Bundesländern sind bereits Männer und Frauen, überwiegend aus dem Ehrenamt in Rheinland-Pfalz im Einsatz gewesen, weit über 10.000 insgesamt seit Beginn der Katastrophe. Auch aus Deutschlands Nachbarländern sind Feuerwehren und Katastrophenschutzeinheiten unterstützend ausgerückt und im Einsatz.

Die Zusammenarbeit aller beteiligten Organisationen und Behörden empfindet Herzog als beispiellos: „Alle verstehen sich hervorragend, arbeiten Hand in Hand, über Landes- und teilweise Bundesgrenzen hinweg“, so Herzog, „auch die Zusammenarbeit mit den vielen freiwilligen, privaten Helfern ist gut, an vielen Ecken begegnet man kleinen Kolonnen, bewaffnet mit Schaufeln und Gummistiefeln, die mit anpacken.“

Bis Freitag wird der Einsatz für die Männer und Frauen aus Schleswig-Holstein noch andauern, ehe es zurück in den Norden geht. Ein drittes Kontingent ist zunächst nicht vorgesehen, andere Bundesländer übernehmen jetzt.

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