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Christoph Europa 5 – Luftrettung im nördlichen Schleswig-Holstein

Reportage Rettungshubschrauber Christoph Europa 5 - © Benjamin Nolte / www.bos-inside.de

Christoph_Europa5_201400017Pilot JürgenVoiß (42) landet den 1500 PS starken Hubschrauber vom Typ Eurocopter BK-117 auf der Bundesstraße 199 in unmittelbarer Nähe zur Unfallstelle. Bei Dunkelheit waren am frühen morgen nahe dem nordfriesischen Stadum zwei PKW bei hohem Tempo frontal zusammengestoßen. Notärzte und Rettungsassistenten bodengebundener Einheiten kämpften bereits um das Leben dreier am Unfall beteiligter Personen. Hubschraubernotärztin Dr. Ulrike Lamp (58) und Rettungsassistent Jens-Peter Lindner (46) steigen Sekunden später aus dem gelandeten Hubschrauber und übernehmen die Behandlung einer Patientin, die noch in ihrem PKW eingeklemmt war. Das ungewöhnliche an diesem Einsatz, der Rettungshubschrauber Christoph Europa 5 aus Niebüll fliegt gewöhnlich nur von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang Einsätze. „Es gibt aber Ausnahmen, wenn wir, wie in diesem Fall bereits in der Morgendämmerung von der Leitstelle, Minuten vor unserem regulären Dienstbeginn, angefragt werden, versuchen wir im Notfall natürlich alles möglich zu machen um zu helfen“, so Pilot Jürgen Voiß. Binnen Minuten war Christoph Europa 5 an diesem morgen startklar und auf dem Weg zur nahegelegenen Unfallstelle.

Christoph_Europa5_201400001Knapp eine Stunde nach dem Unfall hatten Einsatzkräfte der freiwilligen Feuerwehr die Frau aus ihrem Fahrzeug befreit, nach einer Erstversorgung und Stabilisierung im bereitgestellten Rettungswagen flog Pilot Jürgen Voiß das Unfallopfer in die Notaufnahme des Flensburger Diakonissenkrankenhauses.   „Die erste Diagnose ließ auf eine Lendenwirbelkörperfraktur und eine Beckenfraktur schließen“, so Dr. Ulrike Lamp. „Ein derartiges Verletzungsmuster kann nicht zuletzt aufgrund starker Blutungen lebensbedrohlich sein, in diesem Fall blieb der Kreislauf der Frau jedoch während der Rettungsmaßnahmen stabil“, so Lamp weiter. Weniger Glück hatte der Fahrer eines Opel Astra, er erlag noch an der Unfallstelle seinen schweren Verletzungen, die Ärzte konnten nichts mehr für ihn tun. Sein Beifahrer kam zunächst mit dem Rettungswagen in das Niebüller Krankenhaus.

Seit 2005 betreibt die DRF Luftrettung den Standort Niebüll und fliegt von dort aus Einsätze im nördlichen Schleswig-Holstein, den nordfriesischen Inseln und im Südwesten Dänemarks. Die Station liegt direkt am Niebüller Krankenhaus und in Nachbarschaft zur Niebüller Rettungswache. Derzeit sind in Niebüll drei Piloten, ca. fünfzehn Notärzte und vier Rettungsassistenten tätig, die im Wechsel auf der fliegenden Intensivstation im Einsatz sind. Jürgen Voiß ist Stationsleiter und Pilot mit jahrelanger Erfahrung auf der Niebüller Station. Hubschrauber fliegen ist seine Passion. „Der besondere Reiz am Hubschrauber fliegen ist die Instabilität des Fluggerätes, ein Flugzeug fliegt nahezu von allein und bleibt stabil in der Luft, ein Hubschrauber hingegen will geflogen werden, es ist ein Arbeitsgerät“, so Voiß.

Christoph_Europa5_201400092Während des gemeinsamen Frühstücke auf der Station der nächste Alarm. Ein weiterer Unfallbeteiligter vom frühen morgen sollte vom Niebüller Krankenhaus in die Flensburger Diako geflogen werden. „Das Verletzungsbild sei nun doch deutlich komplexer, als zunächst an der Unfallstelle angenommen“, berichtet Notärztin Lamp. Für eine weitere Behandlung ist das vergleichsweise kleine Krankenhaus hier in Niebüll nicht ausgelegt“, erklärt Lamp weiter. Ein Rettungswagen brachte den Patienten von der Notaufnahme zum Hubschrauberlandeplatz. Der im künstlichen Koma gehaltene Patient wurde in den Hubschrauber verladen. Zwei Minuten später startete die BK-117 in Richtung Ostseeküste. „Christoph Europa 5 in Niebüll gestartet, Ankunft in Flensburg in etwa dreizehn Minuten“, funkte Lindner an die Rettungsleistelle, das Zielkrankenhaus wurde ebenfalls über Ankunft von Patient und Hubschrauber informiert. Während des Fluges behielt Notärztin Lamp die Vitalwerte des Patienten ständig im Auge.  Christoph Europa 5 verfügt über alle notwendigen medizinischen Geräte um auch Intensivpatienten verlegen zu können. „Es kommt durchaus vor, dass wir auch weitere Strecken fliegen. Dann geht es schon mal von nach Hamburg oder Kopenhagen, auch in Berlin bin ich schon gewesen“, erinnert sich Jürgen Voiß.

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 Als „Helden der Lüfte“ sehen sich die drei Crewmitglieder von Christoph Europa 5 nicht, eher als wichtigen und unverzichtbaren Teil der medizinischen Notfallversorgung der Region. Ganz bewusst wurde der Standort Niebüll nahe der nordfriesischen Küste gewählt. „Die exponierte Lage, die weiten Flächen und die verhältnismäßig lange Entfernung zu großen Krankenhäusern macht uns hier oben im Norden unverzichtbar“, erläutert Stationsleiter Jürgen Voiß. „Nächstgelegene Krankenhäuser der Maximalversorgung gibt es in Flensburg, Heide und Kiel, diese Entfernungen mit bodengebundenen Rettungsmitteln zurückzulegen scheidet aufgrund der langen Fahrtzeit nicht selten aus, da kommen wir dann ins Spiel“. Christoph Europa 5 ist nicht nur für den schnellen Transport von Notärzten an Einsatzorte da, sondern auch für Verlegungen von Intensivpatienten oder auch für den Transport von Patienten von den nordfriesischen Inseln in Kliniken auf dem Festland. „Wir können schnell an abgelegenen Orten der Region sein, die Inseln sind für uns in 10-11 Minuten erreichbar und auch in großen Teilen des Südwesten Dänemarks sind wir binnen Minuten vor Ort“, so Voiß. „Die 1983 gebaute BK 117 ist zwar nicht die modernste und jüngste Maschine, die in der Flotte der DRF vorhanden ist, für mich ist dieser Hubschrauber aber einer der kraftvollsten, wendigsten und zuverlässigsten Arbeitsgeräte.“ Mit Knapp 4900 Flugstunden war diese Maschine auch verhältnismäßig wenig unterwegs und wird so sicher noch einige Jahre gute Dienste in der Luftrettung leisten können.

Christoph_Europa5_2014000581194 Mal waren die Besatzungen von Christoph Europa 5 im Jahr 2013 zu Einsätzen in der Region unterwegs, seit Inbetriebnahme der Station bereits rund 9500 Mal. Vielen Patienten wurde durch die schnelle medizinische Hilfe aus der Luft oder die schnelle unkomplizierte Verlegung in größere Krankenhäuser das Leben gerettet. Auf die Frage, ob es Einsätze gibt, die einem besonders lange in Erinnerung bleiben, antworten Pilot, Notärztin und Rettungsassistent nahezu das gleiche: „Einsätze mit schwer verletzten oder gar verstorbenen Kindern, sind immer besonders tragisch und dramatisch.“ Aber auch kuriose Einsätze bleiben präsent. So berichtet Pilot Jürgen Voiß von einem Einsatz in Westerhever. Ein Vater aus Frankreich alarmierte über Umwege nach einem Anruf seiner Söhne die deutsche Rettungsleitstelle und teilte mit, dass seine Kinder bereits mit den Beinen im Wasser stehen würden. Seitens der Leitstelle wurde ein Großeinsatz ausgelöst, ein Marinehubschrauber, sowie der Christoph Europa 5 wurden alarmiert, mehrere Feuerwehren und Rettungsboote machten sich auf die Suche, jedoch ohne Ergebnis. Später wurden die „Kinder“ gefunden, es handelte sich bereits um zwei Erwachsene Männer, die in der Tourismusinformation standen und ihrem Vater telefonisch berichtet haben, dass sie endlich am Meer waren und bereits mit den Füßen im Wasser standen. Dieser muss den Anruf völlig falsch interpretiert haben und hat so die große Maschinerie der Rettungskräfte ausgelöst.

Christoph_Europa5_201400159Noch während die Crew von schwierigen und kuriosen Einsätzen berichtet unterbricht ein lautes Piepen die Runde. Der nächste Einsatz. Routiniert und ohne nötige Absprachen geht alles wieder ganz schnell. Voiß begibt sich umgehend zur Maschine, lässt die Turbinen an, Rettungsassistent Lindner besorgt weitere Infos zum Einsatz, kümmert sich ebenfalls um die Anlass- und Abflugkontrolle und Notärztin Lamp sitzt Sekunden später bereits im Bauch von Christoph Europa 5. Zwei Minuten nach dem Alarm hebt der Hubschrauber in Niebüll ab und nähert sich mit 240km/h der nordfriesischen Insel Amrum. Eine ältere Dame mit akuter Atemnot musste zur weiteren Behandlung aufs Festland geflogen werden. Dreizehn Minuten nach dem Start kreiste Pilot Voiß auf der Suche nach einem geeigneten Landeplatz über dem Einsatzort in einem Wohngebiet von Wittdün. Ein kleiner Park direkt hinter dem Haus schien geeignet. Rettungsassistent Lindner informiert den Piloten wie bei jeder Landung ständig über mögliche Hindernisse und behält den Landeplatz im Auge. Ulrike Lamp übernahm die bereits von der Inselärztin versorgte Patientin. Die ältere Dame war stabil und somit auch transportfähig. Nach der Erstversorgung wurde die Frau zum Hubschrauber gebracht und ohne viel Zeit zu verlieren ging es auf dem Luftwege in das Krankenhaus nach Husum.

Christoph_Europa5_201400046Dr. Ulrike Lamp ist Ärztin mit Leib und Seele. In einem Hamburger Krankenhaus arbeitet die 58jährige Fachärztin für Anästhesie und Rettungsmedizin Vollzeit. „Nebenbei“ fährt Lamp im Hamburger Stadtgebiet auf einem NEF (Notarzteinsatzfahrzeug) und fliegt in Niebüll und Rendsburg auf den Rettungshubschraubern der DRF Luftrettung. Die fünffache Mutter sieht gerade diese abwechslungsreichen Aufgabengebiete als gelungen Ergänzung. „Rettungsmedizin macht mir viel Spaß, der direkte Kontakt mit den Patienten und dass Entscheidungen treffen in vielen unterschiedlichen Situationen machen diesen Beruf so interessant“. Vor jedem Einsatz holt Ulrike Lamp ein Kaugummi heraus, „es macht einen noch ruhiger und fördert die Konzentration“, berichtet sie. Auf die Frage warum sie gerade auf der von Hamburg doch recht weit entfernten Station der Luftrettung in Niebüll arbeitet, folgt eine klare Antwort: „Es ist das Team. Hier in Niebüll fühle ich mich wohl, das Team ist besonders nett und die Arbeit mit den Kollegen macht unheimlich viel Spaß.“  Zwischen den Einsätzen wird viel geredet, es werden ernste Gespräche geführt, aber auch viel miteinander gelacht. Einsätze werden nach der Rückkehr auf der Station nicht selten ausgiebig besprochen und aufgearbeitet. Auffällig auch der enge Kontakt zu Ärzten der benachbarten Klinik und den Mitarbeitern des Rettungsdienstes der nahegelegenen Wache. Man versteht sich als großes Team, was an Einsatzstellen Hand in Hand zusammenarbeitet und auch abseits der Einsätze Zeit für gemeinsame Kaffeepausen und Gespräche findet. Zu sehen wie kompetent die medizinische Notfallversorgung ist, gibt einem in der Tat auch ein beruhigendes Gefühl, sollte man selbst einmal in eine Notsituation geraten.

Christoph_Europa5_201400138Mit dem Einsatzstichwort „Atemnot“ ging es am Nachmittag in die benachbarte Ortschaft Leck. Ein 58-jähriger Patient befand sich bereits in einer Arztpraxis. Die Hausärztin alarmierte Rettungsdienst und Notarzt, da der Mann extremen Bluthochdruck hatte und zur weiteren Untersuchung dringend in ein Krankenhaus gebracht werden musste. Einsatzkräfte der Landespolizei wurden ebenfalls mitalarmiert um einen Landeplatz für Pilot Voiß abzusperren und zu sichern. Auf einer Straßenkreuzung mitten im  Ort ging es runter. Mit dem Streifenwagen der Polizei legte Notärztin Lamp die letzten paar hundert Meter zum Notfallort zurück. Nach einer Erstversorgung in der Arztpraxis folgte die Entscheidung, dass der Mann bodengebunden, also im RTW, in die Notaufnahme der Diako Flensburg transportiert wird. Um im Ernstfall schnell eingreifen zu können

 blieb die Notärztin während der Fahrt im Rettungswagen. Pilot Voiß und Rettungsassistent Lindner flogen mit dem Hubschrauber vor um die Ärztin im Krankenhaus wieder abzuholen. Dies ist gängige Praxis, ist ein Transport von Patienten im Hubschrauber nicht zwingend erforderlich oder aufgrund eines instabilen Zustandes nicht von Vorteil, so begleitet die Ärztin die Fahrt ins Krankenhaus im Rettungswagen.

Christoph_Europa5_201400081Mit dem Sunset (Sonnenuntergang) ist Feierabend, zumindest für Christoph Europa 5. Pilot und Rettungsassistent fahren den auf einem Podest gelandeten Hubschrauber in die große Halle zum abendlichen Check. Jürgen Voiß und Jens-Peter Lindner überprüfen die technischen Bauteile des Helikopters und die Ausrüstung. „Alle 50 und 100 Stunden führen wir hier am Standort zusätzlich noch Wartungen durch, das meiste können wir selbst, sogar Triebwerke tauschen“, so Jürgen Voiß. Alle 600 Flugstunden folgt dann eine Kontrolle in der Werft in Baden Baden, dann ist der Stammhubschrauber längere Zeit weg und die Station erhält eine Ersatzmaschine. Nach der abendlichen Kontrolle folgen nicht selten noch Protokollarbeiten am Computer, ehe auch die Besatzung Feierabend hat. In den Sommermonaten, wenn die Tage länger werden, werden auch die Tage für Hubschrauber und Besatzung länger. Beginnt die Einsatzbereitschaft in der kalten und dunklen Jahreszeit mit dem Sonnenaufgang, so beginnt der Tag im Sommer frühestens ab sieben Uhr. Der Hintergrund ist einfach erklärt, möglich wären Flüge im Sommer bereits mit dem Sonnenaufgang in den frühen Morgenstunden, aber gerade der Pilot muss sich an die vorgeschriebenen Ruhezeiten halten. Nicht selten fliegen die Luftretter bis in den späten Abend hinein und somit kann es am nächsten Morgen im Regelfall nicht vor sieben Uhr wieder in die Luft gehen. Auch die Anzahl an Einsätzen steigt in den Sommermonaten im Schnitt an. Sind die Luftretter im Winter im Schnitt zwei bis vier Mal pro Tag im Einsatz, sind im Sommer auch zweistellige Einsatzzahlen möglich. Eine Belastung für Mensch und Maschine, doch missen möchte keiner der Besatzungsmitglieder diesen Job, sie alle fliegen gerne und noch viel lieber helfen sie Menschen in Notlagen.

Christoph_Europa5_201400111Am nächsten Morgen um 7.30 Uhr waren Besatzung und Hubschrauber wieder startklar. Ein neuer Tag war angebrochen, was die Besatzung erwarten würde? – Das ist jeden Tag eine Frage, die man nicht beantworten kann. Jeder Tag und jeder Einsatz sind anders. Es sollte ein etwas ruhigerer Tag werden, zwei Mal musste Pilot Jürgen Voiß den Hubschrauber an diesem Tag starten um zu einem Einsatz zu fliegen.

Weitere Informationen über die DRF Luftrettung erhalten Sie im Internet unter www.drf-luftrettung.de – dort finden Sie auch Möglichkeiten die Luftretter zu unterstützen. Eine Organisation wie die DRF Luftrettung ist immer auch auf Spenden angewiesen um den Flugbetrieb weiter auf dem hohen Niveau aufrechterhalten zu können.

Fotos und Text: Benjamin Nolte

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